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NACH DER SCHLACHT
In seiner Saarbrücker Kriegschronik zitiert Albert Ruppersberg aus den Erinnerungen eines 39ers (1), in denen es heißt: »Zwischen Pickelhauben, französischen Käppis, Tornistern, Waffen und Uniformstücken lagen die Toten über und durch einander auf dem Gesichte oder auf dem Rücken. Dem einen war das ganze rechte Bein, dem andern der halbe Kopf abgerissen; einige Leichen streckten einen Arm starr gen Himmel empor, andere hatten die Finger krampfhaft in den mit Gras bewachsenen Boden gekrallt.« Der französische Soldat Clovis Hardy notierte in seinem Tagebuch zum Ende der Kämpfe (2): »Eine große Stille machte sich über uns, die Preußen und das gesamte Schlachtfeld, breit. Es roch nach dem Pulver, das wir verbrannt hatten. Wir hörten nur noch das Wimmern der Verletzten, die Wasser verlangten, die ihre Mütter riefen, die im Delirium von Fieber und Schmerz waren.« Überall im Kampfgelände lagen Gefallene beider Seiten, die schnellstens unter die Erde gebracht werden mussten. Da es bei den deutschen Streitkräften hierfür allerdings keine speziellen Einheiten gab, hatte sich die kämpfendeTruppe selbst um die Beisetzung der Toten zu kümmern, was jedoch bedingt durch die Schnelligkeit des Vormarschs nicht zeitnah und ordnungsgemäß zu leisten war. Infolgedessen wurden daher allenfalls die eigenen Gefallenen beigesetzt, die Beisetzung der gefallenen Gegner und der Pferdekadaver überließ man oftmals der ortsansässigen Bevölkerung, die diese Arbeiten jedoch zumeist ohne fachmännische Anleitung und daher mehr schlecht als recht bewerkstelligte. Archibald Forbes (3), ein Sonderberichterstatter für die britische Tageszeitung The Daily News hatte Gelegenheit, das Schlachtfeld bereits am Tag nach den Kämpfen zu besuchen. Er schreibt dazu (4): »In einer kleinen Rinne ganz oben in einer davon [der Schluchten, die auf die Spicherer Höhen führen, Anm. SR] fand ich ein Dutzend tote Preußen, die in einem unentwirrbaren Haufen übereinander lagen. An anderer Stelle lagen sie ebenfalls so dicht. Im Stellungssystem war es an den Franzosen, in größter Anzahl tot aufgefunden zu werden. Der Graben selbst war voll von ihnen. Es war innerhalb der Stellungen auf einige Meter unmöglich, nicht auf tote Menschen zu treten. Der Kampf war auf dem gesamten Plateau gleichermaßen tödlich verlaufen; da wo Getreide und Gras in den steinigen Boden getreten waren, war er an manchen Stellen weich und schmierig von Blut.« Zwei Tage später, am 9. August, stattete Forbes den Spicherer Höhen einen weiteren Besuch ab, bevor er der kämpfenden Truppe nachreiste. Über diesen Besuch berichtet er (5): »Bis Montagmittag waren alle Verwundeten geborgen und die meisten Toten begraben worden. Das ganze Gelände war übersät mit Gräbern. [...] Nur wenige der Hügel wurden von einem groben Kreuz überragt, das aus ein paar mit einem Riemen zusammengezurrten Stöcken bestand. Andere waren kunstvoller ausgeführt, wobei das aus Brettern bestehende Kreuz beschriftet war mit der Anzahl der hier Beerdigten, ihrem Rang und ihrem Regiment. Einige der Gräber hatten die Ortsansässigen bereits mit Sträuchern und Blumen geschmückt, aber die meisten Dekorationen bestanden aus Bajonetten und Schwertern, die im Boden steckten – Zeichen dafür, dass darunter Soldaten lagen. Freund und Feind ruhten in Frieden in einem Grab. Die Inschrift über einem der größten auf der ersten Spichererhöhe hielt ich für notizwürdig: ›Hier ruhen in Gott 29 Preußen und 69 Franzosen.‹ An diesem Tag traf König Wilhelm von Preußen (6) samt Entourage in Saarbrücken ein und ließ sich am Tag darauf das Schlachtfeld zeigen. Über diesen Besuch berichtet er seiner Frau, Königin Augusta, in einem Brief vom 10. August 1870 (7): »Ich habe soeben das hiesige Schlachtfeld [Die Höhen von Spicheren, Anm. Berner] beritten, wo es furchtbar noch aussieht durch zertrümmerte Waffen, Kleidungsstücke aller Art! Tote und Blessierte sind schon alle beseitigt; hier sollen 1700 Blessierte liegen, die ich nach Tisch noch besuchen will. Die Position, die wir stürmten, dann momentan verließen, bis die Verstärkungen die Flankenbewegung ausführten und so der Sieg entschieden wurde, – ist auf dem steilen Abhang, auf dem sie liegt, ungemein stark, so daß die gefangenen Offiziere sagen, sie hätten die Wegnahme derselben für unmöglich gehalten, aber sie hätten mit solchem Feinde auch noch nicht gekämpft weder in Italien, noch in der Krim, noch in Algier, da unsere Soldaten gerade so vorgingen, als würde ohne Kugeln auf sie geschossen. Ein größeres Lob ist wohl nicht zu erteilen! Überall haben unsere Soldaten auf den Massengräbern Kreuze von Ästen angebracht, und die Offiziersnamen angeschrieben; an einem Grabe stand angeschrieben: 30 Preußen, 75 Franzosen!« Den Ausführungen Albert Ruppersbergs in seiner Saarbrücker Kriegschronik von 1895 lässt sich allerdings entnehmen, dass der damals bereits 73-Jährige das vormalige Kampfgebiet wohl nicht beritten hatte, sondern auf der Straße hindurch kutschiert worden war und von den grauenhaften Details abseits der Straßen und Wege sicher nichts gesehen hat. Ruppersberg schreibt (8): »Noch waren die furchtbaren Spuren des Kampfes nicht beseitigt. Zu beiden Seiten der Straße sah man Leute beschäftigt, große Gruben zu machen, um die gefallenen Pferde zu beerdigen, welche die Luft weithin verpesteten. Einzelne Uniformstücke und Waffen lagen noch auf den Feldern umher; das Meiste aber war bereits in großen Haufen zusammengetragen; und hatten die Besucher des Schlachfeldes manches Stück zum Andenken mitgenommen. Je näher man den Höhen kam, um so zahlreicher erschienen die großen und kleinen Erdhügel mit den schlichten Holzkreuzen und ihren kurzen, aber so inhaltsschweren Inschriften, und oben auf der Höhe war Grab an Grab. Das Herz des Königs wurde tiefbewegt.« Die rasche Aufeinanderfolge der Schlachten in Verbindung mit der sommerlichen Witterung bis in den Herbst hinein und reichlich Regen führte zu zum Teil katastrophalen hygienischen Verhältnissen auf den ehemaligen Schlachtfeldern. Im Sanitäts-Bericht über die Deutschen Heere im Kriege gegen Frankreich 1870/71 heißt es hierzu im Hinblick auf die Kämpfe bei Spichern (9): »In den Gemarkungen von Forbach, Spicheren und Stiringen hingegen, dem Kampfplatz der Schlacht bei Spicheren, spülte der Regen die deckende Erdschicht von den – übrigens fast ausschliesslich im Walde und überall mehr als 1 Kilometer von Wohnungen entfernt befindlichen – Massengräbern vielfach fort, so dass in Fäulniss begriffene Leichentheile blosslagen. Diese Zustände erfuhren im Herbste 1870 dauernde Beseitigung durch die Thätigkeit eines hierzu beorderten Militärkommandos. Es wurden 5 Fuss hohe Erdaufschüttungen ausgeführt, welche zum Schutze gegen Witterungseinflüsse eine Rasenbekleidung erhielten.« Diese Maßnahmen brachten zumindest auf dem ehemaligen Schlachtfeld bei Spichern den gewünschten Erfolg. Die rechts abgebildete zeitnahe Ansichtskarte zeigt eines dieser neu angelegten Massengräber auf dem Plateau des Roten Bergs (das des 1. Hannoverschen Infanterie-Regiments Nr. 74), zwischen dem General-von-François-Gedenkstein und dem Denkmal des 1. Hannoverschen Infanterie-Regiments Nr. 74 – das Grab ist heute allerdings nicht mehr zu erkennen; falls es nicht irgendwann einmal eingeebnet wurde, hat man die hier bestatteten Gefallenen wohl umgebettet. Auf anderen Schlachtfeldern, vor allem bei denen im Raum Metz, auf denen fast 30.000 Soldaten den Tod gefunden haben sollen, erwiesen sich diese Maßnahmen jedoch als völlig unzureichend, so dass hier im Frühjahr und im Sommer 1871 ein erheblicher Sanierungsaufwand erforderlich wurde. So musste z. B. stellenweise durch von Fäulnis verseuchtes Wasser abgeleitet und der Boden anschließend mit Chlorkalk und Karbolsäure desinfiziert werden oder Gefallene mussten exhumiert und Gräber tiefer gelegt werden. Die Verantwortung für die Gefallenengräber übertrug Artikel 16 des Friedensvertrags von Frankfurt vom 10. Mai 1871 den jeweiligen Regierungen, auf deren Gebiet diese Gräber lagen (10): »Beide Regierungen, die Deutsche und die Französische, verpflichten sich gegenseitig, die Gräber der auf ihren Gebieten beerdigten Soldaten respektiren und unterhalten zu lassen.« Das gesamte ehemalige Kampfgelände zwischen Saarbrücken und Spichern war nach den Aufräumarbeiten förmlich übersät mit Gräbern. Arthur von Lattorff, der 1877 den wohl ersten Führer über das ehemalige Schlachtfeld veröffentlicht hatte (11), verzeichnet 233 Gräber (darunter viele Massengräber) sowie vier Denkmäler! Und das nur für den Bereich des ehemaligen Schlachtfeldes, d. h. im Gebiet zwischen Bellevue/Winterberg und Spicherer Höhen/Stieringen! Dass diese Auflistung vollständig ist, bezweifelte selbst von Lattorff (12): »Absolut Vollständiges konnte nach der Richtung nicht geleistet werden, da in dem unübersichtlichen zum Theil mit dichtem Unterholz bewachsenen Höhengelände einerseits und in den überall bestellten Feldern anderseits manche Grabstelle dem Auge des Suchenden entgangen sein mag. Immerhin wird die Zahl derjenigen, welche Erwähnung gefunden haben, schon ein genügend klares Bild der damaligen Situation zu geben im Stande sein.« Bereits zu diesem Zeitpunkt, gerade einmal sieben Jahre nach den Ereignissen, waren manche der Inschriften schon nicht mehr lesbar. Von daher war auch von Lattorff bewusst, dass nur ein Teil der Gräber überdauern wird, wenn er schreibt (13) »daß nach dem natürlichen Laufe aller Dinge die Zeit wohl nicht mehr allzu fern ist, wo die verschiedenen Erinnerungszeichen der stattgehabten Kämpfe trotz aller pietätvollen Pflege Seitens der Stadt und ihrer Bewohner [...] verschwinden und die großen Monumente als einzige Zeugen übrig bleiben werden; denn viele der Inschriften an Kreuzen und Tafeln sind in diesen Tagen nur noch mit Mühe zu entziffern, manche bereits unleserlich geworden.« Und auch 18 Jahre später war die Anzahl der Gräber und Denkmäler für den Besucher noch immer beeindruckend. Max Dittrich zufolge (14) »zeigen sich teils an der Landstraße, teils im Felde Grabhügel mit Kreuzen, die nur die Anzahl der darunter schlummernden Helden und ihren Todestag nennen. Am zahlreichsten
werden die Kreuze nach dem Styringer Eisenwerk zu; einige fünfzig liegen allein zwischen Landstraße und Eisenbahn im Walde verborgen. Vor dem Walde, nach Styringen hin, sieht man sowohl unmittelbar an der Waldecke, als auch auf der Hochebene vor dem Eisenwerk und im Felde zwischen diesem Gebiet zahlreiche und große Massengräber. Weniger große, aber ebenfalls zahlreiche liegen noch am und im Walde beim Styringer Schachte und am Wege von da nach Schönecken. Auch sie geben Zeugnis
von dem erbitterten Kampfe, der hier auf dem äußersten rechten Flügel gewütet hat. Im Stadtarchiv in Saarbrücken existiert ein zeitgenössischer Plan über die Lage der Kriegergräber in den lothr. Gemarkungen Spichern & Stieringen-Wendel (15), der dieses Bild bestätigt. In der Legende des Plans wird ergänzend erwähnt, dass die meisten Einzelgräber in den Jahren 1892 und 1894 aufgelöst und die sterblichen Überreste der hier Bestatteten in Massengräber umgebettet wurden. Im Zuge dieser Umbettungsarbeiten wurden zwangsläufig auch persönliche Gegenstände der Soldaten freigelegt. Laut einem Artikel auf Seite 6 im amtlichen Mitteilungsblatt Wöchentliche Anzeigen für das Fürstenthum Ratzeburg No. 9 vom 31. Januar 1893 (16) fand man während einer Umbettung 1892 auch eine silberne Taschenuhr, die in einer Messingkapsel steckte und sich von daher in einem noch relativ guten Erhaltungszustand befand. Neben der Uhr enthielt die Kapsel aber auch noch einen Zettel mit dem Namen des Uhrmachers in Frankfurt/Oder, bei dem die Uhr gekauft worden war. Auf Nachfrage konnte dieser anhand seiner Unterlagen sogar noch feststellen, dass er die Uhr seinerzeit einem Mann namens Janisch aus Jacobsdorf verkauft hatte. Daraufhin versuchte man über den Ortsvorsteher von Jacobsdorf die Erben zwecks Überlassung der Uhr zu ermitteln – ob dies letztlich gelungen ist, ergibt sich aus dem Artikel jedoch leider nicht. Bei dem Besitzer der Uhr dürfte es sich um Friedrich Janisch gehandelt haben, der in der Verlustliste Nr. 10 (17) als Angehöriger der 4. Kompanie des Leib-Grenadier-Regiments (1. Brandenburgisches) Nr. 8 mit folgenden Angaben geführt wird: »Gefr. Friedr. Janisch aus Jakobsdorf [sic], Kr. Lebus, V. unb.« Auf der Gedenktafel für Gefallene der Gemeinde im Krieg 1870/71 in der evangelischen Dorfkirche Jacobsdorf im Landkreis Oder-Spree steht er als erster von vier Gefallenen mit dem Eintrag (18): »Gren. Chr. Friedr. Janisch, gef. bei Spichern 6. Aug. 70.« Laut Eintrag im Kirchenbuch starb der am 25.02.1845 in Jacobsdorf geborene Christian Friedrich Janisch an einem Schuss in die Brust (19). Viele der ehemals vorhandenen Gräber sind heute jedoch nicht mehr zu lokalisieren. |
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1) Saarbrücken 1895, S. 233 |
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